Klarnamenpflicht im Netz: Mehr Kontrolle statt mehr Schutz?
Während Plattformbetreiber zunehmend zu immer strengem Datenschutz verpflichtet werden, fordern Politiker nun genau das Gegenteil – zumindest wenn es nach neusten Vorschlägen aus Bayern und Berlin geht. Dort wird derzeit nämlich überlegt eine Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken einzuführen, was grundsätzliche Fragen zur Freiheit im digitalen Raum aufwerfen dürfte.
Bayerns Digitalminister Fabian Mehring und Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg argumentieren, Anonymität begünstige Beleidigungen, Drohungen und Hassrede. Wer online unter echtem Namen auftrete, verhalte sich verantwortungsvoller, so die Hoffnung. Unterstützung kommt vom ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle, der eine rechtliche Umsetzbarkeit betont und eine „Zivilisierung“ der Debatten erwartet.
Doch diese Sicht greift zu kurz. Anonymität ist kein Freifahrtschein für Straftaten, sondern ein Schutzraum für viele Menschen, die ohne sie gar nicht sprechen könnten. Whistleblower, Opfer von Gewalt, politisch Verfolgte oder Menschen, die über sensible Themen wie Krankheit oder sexuelle Identität sprechen, sind schlicht auf anonyme Kommunikation angewiesen. Eine Klarnamenpflicht würde sie nicht schützen, sondern zukünftig zum Schweigen bringen.
Zudem wirkt es wie so oft inkonsequent, wenn derselbe Staat, der Datensparsamkeit predigt, Plattformen zur Identitätsprüfung aller Nutzer drängen will. Mehr gespeicherte Klardaten bedeuten auch mehr Missbrauchsrisiken, sei es durch Leaks, staatliche Überwachung oder private Ausforschung. Probleme wie Hasskriminalität lassen sich nicht durch pauschale Überwachung lösen, sondern durch konsequente Strafverfolgung bestehender Gesetze und ausreichend ausgestattete Behörden.
