Porno-Filtergesetz könnte zur Zensurmaschine werden

Die deutschen Landesparlamente haben mit der jüngsten Verabschiedung des 6. Medienänderungsstaatsvertrags eine Entwicklung besiegelt, die weit über den vorgeblichen Jugendschutz hinausgeht und beunruhigende Fragen zur digitalen Meinungsfreiheit aufwirft. Was auf den ersten Blick wie eine sinnvolle Maßnahme zum Schutz Minderjähriger erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Blaupause für eine umfassende Zensurinfrastruktur, deren Missbrauchspotenzial kaum zu überschätzen ist.

Ein Trojaner namens Jugendschutz

Die Reform verpflichtet Anbieter wie Microsoft, Apple und Google dazu, ihre Betriebssysteme mit einer sogenannten „Jugendschutzvorrichtung“ auszustatten. Eltern sollen damit angeblich per Knopfdruck Geräte in einen Kinder- oder Jugendmodus versetzen können, der den Zugang zu problematischen Inhalten blockiert. Soweit die Theorie – doch in der Praxis wird hier jedoch eine technische Infrastruktur geschaffen, die weit mehr kann als nur den Zugriff auf pornografische Inhalte zu unterbinden.

Besonders bedenklich ist die Auflistung der zu blockierenden Inhalte: Neben Pornografie werden ausdrücklich auch „Gewalt, Hass und Hetze sowie Falschinformationen“ genannt. Diese Begriffe sind notorisch schwammig und wie immer interpretationsbedürftig. Was als Hetze gilt und was genau als Falschinformation zu werten ist, darüber herrscht selbst in demokratischen Gesellschaften selten Einigkeit. Die Entscheidungsgewalt darüber liegt nun faktisch bei den Landesmedienanstalten, deren politische Unabhängigkeit zwar formal gegeben sein mag, die aber durchaus dem Einfluss wechselnder politischer Mehrheiten unterliegen.

Jugendschutz wird zum Vehikel politischer Kontrolle

Die Gefahr dieser kommenden Filter-Infrastruktur liegt dabei auf der Hand. Einmal installiert, kann diese theoretisch gegen jede Art von Inhalt eingesetzt werden, den die jeweilige politische Mehrheit als unerwünscht erachtet. Kritische Journalismus-Portale könnten unter dem Vorwand der „Falschinformation“ leichter und großflächig blockiert werden, unbequeme politische Meinungen als „Hetze“ klassifiziert und der Zugang zu ihnen unterbunden werden. Die technische Möglichkeit dazu wird mit diesem Staatsvertrag geschaffen und Geschichte und Gegenwart lehren uns, dass staatliche Kontrollmechanismen selten ungenutzt bleiben, wenn sich die politische Großwetterlage ändert.

Man muss sich nur vorstellen, wie ein solches System in den Händen einer zukünftigen Regierung aussehen könnte, die eine weniger liberale Auffassung von Meinungsfreiheit vertritt. Die Infrastruktur steht dann bereits, sie muss nur noch aktiviert werden. Was heute noch als „positive“ Schutzmaßnahme für Kinder verkauft wird, kann morgen bereits zum Instrument umfassender digitaler Bevormundung werden.

Die absurde Logik der Finanzsperren

Besonders grotesk wird es zudem bei den vorgesehenen Zahlungssperren. Die Landesmedienanstalten sollen künftig die Befugnis erhalten, Finanzdienstleistern und Banken den Zahlungsverkehr mit bestimmten Anbietern zu untersagen. Diese Maßnahme wird damit begründet, den Zugang zu pornografischen Inhalten einzuschränken – doch besonders hier offenbart sich eine grundlegende Widersprüchlichkeit der gesamten Regelung.

Jugendliche, um deren Schutz es angeblich geht, verfügen in aller Regel nicht über eigene Kreditkarten oder unkontrollierte Zahlungsmöglichkeiten im Internet. Die Finanzsperren treffen daher fast ausschließlich erwachsene Nutzerinnen und Nutzer, deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung damit massiv eingeschränkt wird. Hier wird der Jugendschutz zum Vorwand genommen, um faktisch auch volljährigen Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu legalen, wenn auch möglicherweise anrüchigen Inhalten zu erschweren oder ganz zu verwehren.

Noch problematischer ist die institutionelle Anmaßung, die sich darin zeigt: Landesmedienanstalten, also Verwaltungsbehörden ohne richterliche Legitimation, können nun de facto in den Zahlungsverkehr eingreifen und privatwirtschaftliche Unternehmen zur Blockade bestimmter Transaktionen zwingen. Dies geschieht ohne vorherige gerichtliche Prüfung und ohne dass überhaupt ein Verfahren gegen die betroffenen Anbieter geführt werden müsste. Es genügt die bloße Benennung durch die Medienwächter. Ein solches Vorgehen wirft ernsthafte rechtsstaatliche Fragen auf und erinnert an Praktiken, die man sonst eher in autoritären Systemen verorten würde.

Technische Umsetzbarkeit als Nebensache

Dass Hersteller von Betriebssystemen, Tech-Verbände und Organisationen wie die Free Software Foundation Europe den Gesetzesentwurf scharf kritisieren, verwundert kaum. Die vorgeschriebenen Filter sind technisch hochkomplex und in ihrer geforderten Form möglicherweise gar nicht oder nur mangelhaft umsetzbar, ohne die Funktionalität und Sicherheit der Systeme massiv zu beeinträchtigen. Die Frage der praktischen Umsetzbarkeit scheint die Gesetzgeber jedoch wie üblich nicht sonderlich zu interessieren, hauptsache, man kann der Öffentlichkeit demonstrieren, dass man etwas tut.

Dabei zeigt die Erfahrung mit ähnlichen Filteransätzen in anderen Ländern, dass diese entweder leicht zu umgehen sind oder aber so restriktiv wirken, dass auch harmlose Inhalte blockiert werden. Das berüchtigte Overblocking trifft dann Aufklärungsseiten zu sexueller Gesundheit ebenso wie kunsthistorische Inhalte oder medizinische Informationen.

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist mehr als nur eine überzogene Regulierung, vielmehr ist er ein gefährlicher Präzedenzfall. Er etabliert das Prinzip, dass der Staat technische Kontrollmechanismen auf der untersten Ebene digitaler Geräte vorschreiben und deren Einsatz erzwingen kann. Er legitimiert staatliche Eingriffe in den Zahlungsverkehr auf bloße Verwaltungsentscheidung hin. Und er schafft eine Infrastruktur, die sich beliebig erweitern und für Zwecke einsetzen lässt, die mit Jugendschutz nichts mehr zu tun haben.

In einer Zeit, in der demokratische Werte weltweit unter Druck geraten, sollten wir besonders wachsam sein, wenn Freiheitsrechte im Namen des Schutzes Schwächerer eingeschränkt werden. Oft genug hat die Geschichte gezeigt, dass gut gemeinte Kontrollmechanismen in den falschen Händen zu Werkzeugen der Unterdrückung werden können. Die digitale Zensurmaschine, die die deutschen Länder nun in Gang setzen, mag heute vielleicht noch harmlos erscheinen – doch die Büchse der Pandora lässt sich bekanntlich kaum wieder schließen, wenn sie erst einmal geöffnet wurde.



Der geplante Porno-Filter könnte im Internet zur Zensurmaschine in Deutschland werden. (Symbolbild: Bing Image Creator - Nachbearbeitet: Xgadget.de)
Datum:
22.11.2025, 00:45 Uhr
Autor:
Stefan Kröll
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